30.10.2023
Die Geschichte bis zur Sanierung des Hauses liest sich beinahe wie ein Krimi: Bombenschaden, Hausschwamm, extreme Eigentümer – dass es sich für eine Stadt lohnen kann, über Jahre eine geduldige Politik der kleinen Schritte zu betreiben, um wertvolle Gebäudesubstanz zu retten, zeigt der Fall der Blankenauer Straße 2 nördlich des Brühl.
Das 1890 erbaute Mietshaus mit Vorgarten verfügt aufgrund seiner hohen Gestaltungsqualität über einen bedeutenden Denkmalwert. Ein in Backstein ausgebesserter Bombenschaden aus dem 2. Weltkrieg an der rechten Fassadenseite zeugt zusätzlich von der Geschichte der Stadt. Die Erhaltung des Hauses in geschlossener Reihe war demnach für die Stadt Chemnitz von hohem Interesse.
Straßenansicht aus der historischen Bauakte und Gebäude vor der Sanierung (2014) – erkennbar der ausgebesserte Bombenschaden
Für die Agentur StadtWohnen Chemnitz begann die Geschichte vor 10 Jahren im Juni 2013 als sie im Auftrag der Stadt Chemnitz daran ging, sich intensiv mit dem Haus zu beschäftigen. Erste Kontaktversuche zu dem Eigentümer – klassisch per Post – scheiterten. Erst über Facebook gelang es, den Kontakt in die Türkei aufzunehmen. Der Eigentümer hatte das Haus erworben, aber keinerlei Anstrengungen zur Sanierung unternommen. Im März 2014 hatten die Agenturmitarbeiter erstmals die Gelegenheit, gemeinsam mit Mitarbeitern der Bauaufsicht der Stadtverwaltung auch die Innenräume der Blankenauer Straße 2 zu besichtigen. Es wurde deutlich, dass in dem unter Denkmalschutz stehendem Haus das Dach komplett zu erneuern und auch einige Deckendurchbrüche zu beheben waren, um die statische Sicherheit wiederherzustellen. Die Stadt Chemnitz investierte im Rahmen einer sogenannten Ersatzvornahme einen mittleren fünfstelligen Betrag für die Notsicherung.
Der Eigentümer war seinen Pflichten nicht nachgekommen und hatte erhebliche Steuerschulden gegenüber der Stadt angehäuft. Auch die Kosten der Ersatzvornahme schlugen zu Buche. So wurde durch die Stadt das Verfahren einer Zwangsversteigerung eingeleitet. Die Agentur StadtWohnen informierte eine große Zahl verschiedener Interessenten und Investoren. Bis zur Zwangsversteigerung führte die Agentur 12 Begehungen des Hauses mit unterschiedlichen Interessenten durch.
An der Zwangsversteigerung 2016 im Amtsgericht Chemnitz nahmen 20 Personen teil. Bei einem festgesetzten Verkehrswert von 23.000 Euro setzte sich nach einem bemerkenswerten Bieterwettstreit ein Interessent aus Leipzig durch. Doch im Oktober 2016 verstrich der fällige Zahlungstermin, ohne dass der Bieter den Betrag überwiesen hatte. Erneut musste der langwierige Prozess zur Zwangsvollstreckung begonnen werden.
Wie zuvor wies die Agentur Interessenten auf das Gebäude hin, Besichtigungen konnten jedoch nicht durchgeführt werden, da der Ersteigerer das Türschloss ausgetauscht hatte. Das Gebäude wurde 2017 erneut versteigert. Der Erwerber, der selbst keine Sanierungsabsichten hegte, verkaufte schließlich die Blankenauer Straße 2 im Dezember 2018 an die GOLZ Wohnbau GmbH, die sich auf die hochwertige Sanierung von Denkmalen spezialisiert hat. Die Firma begann zügig mit der Vermessung und Grundrissplanung. Intensive Abstimmungsgespräche mit der Denkmalschutzbehörde fanden statt.
Im Juli 2023 konnten sich Mitarbeiter des Denkmalschutzes und der Agentur gemeinsam mit dem Bauleiter von der Fertigstellung der Sanierung in hoher Qualität überzeugen. Letzte Arbeitsschritte im historistisch ausgestaltetem Eingangsbereich standen noch aus, aber fast alle Wohnungen waren bereits bezogen.
Die kontinuierliche und zielorientierte Zusammenarbeit der verschiedenen Ämter und ein fähiger Investor, der auch vor schwierigen Fällen nicht zurückschreckt, waren die ausschlaggebenden Faktoren, dass eine lange Odyssee zu einem glücklichen Ende geführt werden konnte.
Blankenauer Straße 2 nach der Sanierung (2023)
Der Anblick bei der ersten Begehung der Blankenauer Straße 2 war (etwas) erschreckend. Decken waren durchgebrochen, zwar teilweise erneuert, aber nicht tragfähig. Das Mauerwerk war insbesondere im Dachgeschoss stark zerfallen und die straßenseitige Fassade war durch einen Bombentreffer im 2. Weltkrieg stark beschädigt. Die rechte Seite war offensichtlich weggebrochen und unfachmännisch (der damaligen Zeit geschuldet) in Stand gesetzt, die Traufe und Gesimse waren etwas verschoben. Das Sandsteingewände war durch jahrzehntelange Feuchtigkeit stark geschädigt.
Die Aufzählung der Schäden lässt sich noch fortsetzen: Die beiden Hauseingänge zur Straße und zum Innenhof waren in einem desolaten Zustand. Die Treppenstufen waren durchgebrochen. Der rückwärtige Hofbereich war durch Baum- und Grünbewuchs sowie Müllberge nicht einsehbar.
Wir begannen mit den Planungsarbeiten und nahmen uns vor, dem prächtig geschmückten Denkmal neuen Glanz zu verleihen. Im Treppenhaus waren nur Fragmente von Putz und verschiedenen Fassungen der Bemalungen zu sehen. Gleiches traf auf das Entrée zu. Hier war jedoch aufgrund der starken Feuchteschäden und mehrfachen Übermalungen keine Restaurierung möglich. Letztendlich entschieden wir uns für eine schlichte Variante in Anlehnung an die im Treppenhaus verwendeten Farben.
Entstanden sind fünf großzügige Wohnungen – eine Wohnung je Etage – die mit einem Aufzug erreicht werden können. Die Wohnungseingangstüren wurden in Abstimmung mit dem Denkmalamt unter Berücksichtigung der Brandschutzauflagen behutsam restauriert. Die Fenster wurden nach der Bemusterung alter Grundlagen wiederhergestellt. Zudem konnte die vorhandene Hauseingangstür wiederaufgearbeitet werden.
Die innere Gestaltung des Treppenhauses setzte der Restaurator David Meyer in Zusammenarbeit mit dem Malerbetrieb Wagner (Chemnitz) nach Befundung denkmalgerecht hervorragend um. Die Wandfarben sowie der marmorierte Sockel wurden annähernd am vorhandenen Restbestand erhalten respektive aufgearbeitet. Die Farbanalysen erfolgten in Absprache mit dem Denkmalamt. Auch ist es uns gelungen, einen Kunstschmied für die teilweise Neuanfertigung des Geländers im Innen- und Außenbereich nach altem Vorbild zu begeistern.
An der Fassade wurden die sehr desolaten Sandsteingebilde mit Sandsteinmörtel wieder ertüchtigt. Die Verklinkerung der Straßenseite konnte leider nicht wieder vervollständigt werden, da das Mauerwerk nach den Kriegsschäden unfachmännisch instandgesetzt wurde. Gemeinsam mit dem Denkmalamt wurde die jetzige Variante gewählt und stellt nun ein besonderes Zeitzeugnis dar.
Vorher-Nachher-Ansichten in der Galerie
25.10.2023
Im ALT/BAU-Transfernetzwerk (2018-2021) ging es hauptsächlich darum, die Methoden der als URBACT Good Practice ausgezeichneten Agentur StadtWohnen Chemnitz auf europäische Städte mit ähnlichen Leerstandsproblematiken zu übertragen und die Methoden an die lokalen Gegebenheiten anzupassen. Städte im Netzwerk waren unter anderem Riga und Turin, die jedoch im Laufe des Transferprozesses zu der Erkenntnis kamen, dass die Gründung einer Agentur nach Chemnitzer Vorbild für sie nicht der beste Weg sei. Zahlreiche inhaltliche und strategische Ansätze adaptierten sie jedoch an ihre Gegebenheiten.
Doch vier Städte des Netzwerkes gründeten eine ähnliche Agentur wie in Chemnitz. Dazu zählten Vilafranca del Penedès, Seraing, Rybnik und Constanța.
Martin Neubert von der Agentur StadtWohnen Chemnitz hatte in den vergangenen Monaten die Gelegenheit, sich vor Ort über den Entwicklungsstand in Seraing (Belgien) und Rybnik (Polen) zu informieren.
Eine alte Werkssiedlung für Bergleute in der Kohle: zehn dreigeschossige Klinkerbauten an der Przemysłowa-Straße, einerseits Industrieanlagen in der Nachbarschaft, triste Freiflächen und einiges an Leerstand – andererseits eine attraktive Lage an einem See (Fischteich ist die wörtliche Übersetzung des polnischen Stadtnamens Rybnik). Freizeitflächen, Kirche, Bibliothek und Bahnhof sind von hier aus gut zu erreichen. Auch eine der beliebtesten Bäckereien der Stadt hat hier ihren Stammsitz.
Werkssiedlung in Rybnik - Sanierung mit Modulbauweise
In diesem Kontext geht die städtische Wohnungsgesellschaft ZGM neue Wege. Um angemessene Lebensbedingungen zu schaffen, unterzieht sie das erste der zehn denkmalgeschützten Gebäude einem radikalen Umbau. Das Haus wurde vollständig entkernt und mit vorgefertigten Modulen von innen heraus neu aufgebaut. Zehn Familien sollen hier zukünftig Wohnraum finden. Trotz höherer Kosten der Modulbauweise gibt es viele Vorteile dieser innovativen Herangehensweise: Die Gebäude werden in ihrem äußeren Erscheinungsbild erhalten. Grundrisse können durch die Modulbauweise deutlich flexibler gestaltet und auch wieder verändert werden. Und die Möglichkeiten zur technischen Erschließung und Energieeinsparung werden ausgeschöpft.
Bei einem Treffen mit Artur Gliwicki und Szymon Kiełkowski – den beiden Rybniker Projektkoordinatoren im Transfernetzwerk ALT/BAU – konnte Martin Neubert einige der Schauplätze der Altbauentwicklung der letzten Jahre besuchen. Neben dem Projekt in der Werkssiedlung interessierte ihn insbesondere das Haus in Bolesława-Chrobrego-Straße 13, in dem die Modulbauweise in Rybnik erstmalig zum Einsatz kam. Hier entstanden hinter der historischen Fassade (nicht zuletzt mithilfe von Förderprogrammen) Sozialwohnungen. Artur Gliwicki, Direktor der ZGM, hob insbesondere die barrierefreie Senioren-WG im Gebäude hervor, in der drei alleinstehende Damen zu günstigen Konditionen zusammenleben.
obere Fotoreihe: Bolesława-Chrobrego-Straße 13, Straßen - und rückwärtige Ansicht
untere Fotoreihe: Neubau der TBS mit EInbindung zweier historischer Gebäude
Zwar konnte aufgrund politischer und organisatorischer Entscheidungen die Idee eines Altbaumanagements nach Chemnitzer Vorbild bisher nicht vollumfänglich in Rybnik adaptiert werden, aber neue Impulse wurden gesetzt. So war die Gründung des städtischen Tochterunternehmens TBS eine indirekte Folge des intensiven Austausch- und Diskussionsprozesses in der Stadt Rybnik im Rahmen des ALT/BAU Transfernetzwerkes. Als Leuchtturmprojekt der TBS wird aktuell der Neubau auf einer Brachfläche zwischen der Altstadt und dem Fluss Nacyna in Angriff genommen und zwei historische stadtbildprägende Gebäude in den Entwurf eingebunden.
Auch die Gründung einer Koordinierungsstelle Altbaumanagement ist noch nicht gänzlich vom Tisch, unterstützt durch neue Gesetzgebungen und Fördermöglichkeiten.
Aktuell wird geklärt, welcher Träger diese Aufgabe in Rybnik übernehmen kann. Im Gespräch ist zum Beispiel die Soziale Vermietungsagentur (SAN).
Und zu guter Letzt: Auch die Stadt selbst engagiert sich für die Revitalisierung stadtbildprägender Brachen. Beim ALT/BAU Kick-off-Meeting im Mai 2018 wurden die Teilnehmer durch die altehrwürdigen Hallen eines alten Krankenhauses geführt. Es war Wirkungsort des bekannten deutschen Arztes Julius Roger (1819-1865). In seinem Geiste wurde das „Edukatorium Juliusz“ als Bildungs- und Erlebnisort gestaltet, in dem seit der Sanierung mit Ausstellungen und Experimentiermöglichkeiten der menschliche Körper interaktiv erlebbar gemacht wird.
Außen- und Innenansicht des Bildungszentrums Juliusz
Bereits im September besuchte Martin Neubert das belgische Seraing, das eine Nachbarstadt Lüttichs ist. Bei einem Rundgang durch die Stadt und im Austausch mit Bénédicte Borckmans von der städtischen Entwicklungsgesellschaft ERIGES gab es viel zu entdecken, denn seit dem Kick-Off-Meeting des ALT/BAU Netzwerkes am 28.-29. Januar 2019 hat sich in der 64.000-Einwohner-Stadt eine Menge getan.
neu angelegte Parkanlagen in der von Schwerindustrie geprägten belgischen Stadt Seraing
Ähnlich wie Chemnitz durchlebt auch Seraing einen fundamentalen Strukturwandel durch den demografischen Wandel und nach dem Wegfall seiner Schlüsselindustrien. In Seraings Fall waren das die Stahlwerke im Maas-Tal, die nicht nur die Landschaft, sondern auch die Identität der Stadt stark prägen. Doch was bleibt, wenn die Industrieflächen, die ein Drittel der Stadtfläche ausmachen, zu weiten Teilen brachfallen? Was passiert mit den Menschen und ihren Wohnhäusern, wenn die Lebensgrundlage fehlt? Wie kann sich die Stadt neu erfinden?
Mit einem groß angelegten Masterplan arbeitet die Stadt Seraing an ihrer Neuerfindung. Hilfe bekommt sie dabei von der Region Wallonien und nicht zuletzt von der Europäischen Union. In großem Maßstab wurden die alten Hüttenwerke abgebrochen, Werksgebäude baulich gesichert und Altlasten saniert. Schrittweise werden Nutzungskonzepte umgesetzt, die Industrieareale zeitgemäß erschlossen und neue Gebäude errichtet. Aktuell wird das bis vor kurzem völlig verwahrloste Viertel Ougrée an der Lütticher Stadtgrenze grundlegend umgekrempelt. Der Bahnhof wird in die Stadtstruktur eingebunden, Brücken errichtet und Gewerbeflächen nutzbar gemacht. Ein neuer Campus mit Studentenwohnheimen für die Universität Lüttich entsteht auf einem alten Fabrik- und Krankenhausgelände an der Maas. Das alte Kulturhaus der Stahlwerker wird zur neuen Kultur- und Eventlocation OM.
Das alte Kulturhaus der Stahlwerker als modernes Veranstaltungszentrum
Doch was passiert mit den alten Wohngebäuden – meist schmale zwei- bis dreigeschossige Reihenhäuser, häufig mit kleinen Läden im Erdgeschoss? Wie können bei der Vielzahl von Eigentümern, dem schlechten Image der Stadt als Wohnstandort und der allgemein schlechten Bausubstanz Veränderungen in die Wege geleitet werden?
Typische Bebauung in Seraing
Ein wichtiger Impuls für Seraing konnte durch das europäische Transfernetzwerk ALT/BAU eingebracht werden: Aufbauend auf der Idee und der erfolgreichen Arbeit der Agentur StadtWohnen Chemnitz bei der Wiederbelebung unsaniert leerstehender Wohngebäude begann die städtische Entwicklungsgesellschaft ERIGES mit der Dokumentation und Aufbereitung des Wohngebäudebestandes in der Stadt. Mehrere Pilotprojekte konnten durchgeführt werden.
Hinweis auf die Agentur in Seraing durch ein Gebäudebanner
Mit dem Pôle Habitat wurde eine Anlaufstelle geschaffen, die Gebäudeeigentümer zu ihren Wohngebäuden berät und lösungsorientiert Hilfen anbietet. Das Thema der energetischen Sanierung – auch hinsichtlich der Fördermöglichkeiten – entwickelte sich dabei in den vergangenen zwei Jahren zum Ausgangspunkt für eine intensive Zusammenarbeit mit den Eigentümern. Als besonders erfolgreich haben sich regelmäßige öffentliche Informations- und Beratungstermine vor Ort in den Wohngebieten der Stadt erwiesen, die oft die Grundlage für die Beantragung von finanziellen Unterstützungen und schließlich für die Modernisierung der Gebäude legen.
17.10.2023
Das denkmalgeschützte Mehrfamilienhaus in der Müllerstraße 11 an der Grenze der Stadtteile Zentrum (Brühl) und Schlosschemnitz wird gerade im Immobilienportal Immoscout 24 angeboten. Verkäufer ist die städtische Wohnungsgesellschaft GGG. Die GGG ermöglicht mit diesem Immobilienangebot den Interessenten die Abgabe einer Interessensbekundung am Kauf des Grundstückes mit einem Mindestgebot von 250.000 €. Auf Anfrage erhalten die Interessenten weitere Unterlagen. Ansprechpartner und Kontakt sind auf der Homepage der GGG zu finden.
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